Montag, 15. Mai 2017

Führung mit Nasenfaktor

Wenn der Vorgesetzte über den Teilzeitwunsch des Mitarbeiters entscheiden soll.

Das Unternehmen SAP hat eine Regelung für befristete Teilzeit eingeführt. Danach haben die Beschäftigten die Möglichkeit zwischen einem Monat und drei Jahren ihre Arbeitszeit zu reduzieren und danch auf ihre ursprüngliche Vollzeitstelle zurückzukehren.
Nach meiner Meinung ist es immer zu begrüßen, wenn Unternehmen sich Gedanken über flexible Arbeitszeiten Gedanken machen und auch entsprechende Regelungen einführen. Dass dabei meist nie beim ersten Versuch schon der große Wurf gelingt und sich möglicherweise schon bald Nachbesserungsbedarfe zeigen, weiß jeder, der schon einmal mit flexibler Arbeitszeit experimentiert hat. Gerade beim Thema Arbeitszeit sollte man sich deshalb nicht davon leiten lassen, direkt die Hundertprozentlösung anzustreben, sondern sondern lieber kleinere Schritte zu wagen und so frei sein, wieder zu verändern, wenn es sich als notwendig erweist.
So musste auch SAP direkt Kritik einstecken, weil der Betriebsrat und die Gewerkschaften sich daran stören, dass die Umsetzung des Teilzeitwunsches von der Zustimmung des jeweiligen Vorgesetzten abhängig ist. Man befürchtet, dass damit die Mitarbeiter zu sehr vom Wohlwollen des Chefs abhängig sind und der Nasenfaktor ein zu große Rolle spielt.
Nur, wie soll es anders gehen? Klar, aus Sicht der Arbeitnehmervertreter muss ein Mitarbeiter auch ohne Rücksicht auf die "betrieblichen Belange" in Teilzeit gehen können. Diese Sicht ist nicht ganz unberechtigt, da Beschäftigte immer wieder die Erfahrung machen, dass diese betrieblichen Belange auch oft genug vorgeschoben werden, um gerade Arbeitszeitwünsche zu blockieren. Aus eigener Erfahrung weiß ich, das viele Vorgesetzte in der Vergangenheit bei der Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen gemauert haben: das geht in der Produktion nicht...,dann haben wir ja gar keine Kontrolle mehr..., dann macht ja jeder, was er will....
Rechtfertigt das aber eine Regelung an den Vorgesetzten vorbei, die den  Mitarbeitern praktisch die alleinige Entscheidungsfreiheit überläßt? Darum liegt die SAP-Regelung schon richtig, wenn sie den Vorgesetzten die Entscheidung über die Genehmigung der Teilzeit auferlegt. Die müssen diese Aufgabe allerdings verantwortungsbewußt wahrnehmen. Der Nasenfaktor darf dabei keine Rolle spielen. Und wenn ein Chef einen Teilzeitwunsch ablehnt, sollte er das auch nachvollziehbar und fundiert begründen können. Wenn er das nicht kann, soll er ihn genehmigen.
Führungskompetenz läßt sich nicht durch eine Regelung herbeiführen, aber auch nicht durch sie ersetzen.


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