Freitag, 30. Januar 2015

Firmenbewertungsportale

Verschieben sie wirklich die Macht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer? Dies behauptet jedenfalls DIE ZEIT in einem Artikel im Wirtschaftsteil (Nr.4, 22.1.,S.31). Dass der Artikel auch noch auf der Seite Analyse und Meinung unter Analyse erschien, ist doppelt verwunderlich. Die Autorin sieht in den Bewertungsportalen im Internet, wie z.B. Kununu oder Glassdoor, eine Verschiebung der Machtverhälltnisse schon deshalb, weil nunmehr auch die Bewerber viel bessere Möglichkeiten hätten sich über Firmen zu informieren als vorher. Es besteht natürlich die Chance, dass man über diese Portale Informationen erhält, die sonst für Außenstehende nicht so leicht verfügbar waren. Über das Betriebsklima etwa oder über die Qualität der Führung. Man kann Erkentnnisse gewinnen, die aus offiziellen Firmenpublikationen nicht erhältlich sind.
Insofern sollte man jedem Bewerber heutzutage empfehlen vor der Bewerbung oder spätestens vor dem Vorstellungsgespräch dort einmal nachzuschauen. Als Interviewer im Vorstellungsgespräch würde ich erwarten, dass mein Gesprächpartner das auch getan hat und ihn danach fragen. Daraus ergibt sich möglicherweise eine gute Diskussion im Vorstellungsgespräch. Man könnte die Frage stellen: "Warum haben sie die kritischen Statements nicht von der Bewerbung bei uns abgehalten?" Also Bewerber, macht euch auf solche Fragen gefaßt. Das setzt natürlich voraus, dass das Unternehmen überhaupt in diesen Portalen vertreten ist und dass auch die Personaler da regelmäßig reinschauen. Ich würde es für unprofessionell halten, wenn sie das nicht täten. Mit der Präsenz der Unternehmen hapert es allerdings noch. Ich habe einmal bei meinem früheren Arbeitgeber nachgeschaut. In einem Portal war er mit neun im anderen immerhin mit über dreißig Bewertungen vertreten - ein Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern. Die Teilnahme wird sich sicher noch erhöhen. Aber verschiebt sich deshalb die Macht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer? Diese Aussage ist schlichtweg naiv. So ernst hat es die Autorin offensichtlich selbst nicht gemeint. Denn sie relativiert, dass "die neue Macht....also nicht gleichmäßig verteilt ist, sondern sich bei jenen konzentriert, die gefragt sind." Nur war das schon immer so, auch ohne Bewertungsportale. Die "Macht" zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer spielt sich im Unternehmen ab, daran ändert auch ein Bewertungsportal nichts.
Der Artikel verschweigt auch nicht, dass Unternehmen die Portale für ihre Interessen nutzen und auch unterwandern könnten. Von Hotelbewertungsportalen wissen wir, dass mitterlerweile ca. 30% der Bewertungen von den Hotels selbst oder extra dafür beauftragten Agenturen stammen. Dann sind die Bewertungen immer subjektiv. Dem einen schmeckt das Essen im Hotel gut, der andere findet es schlecht. Nicht viel anders ist es auch bei Unternehmen. Es gibt durchaus Mitarbeiter, die aus einem Konflikt heraus ihrem Arbeitgeber eins auswischen wollen oder andere, die es gut angetroffen haben und dies in blumigen Worten zum Ausdruck bringen.
Man sollte das Instrument in jedem Fall ernst nehmen und auch nutzen - als Bewerber, Mitarbeiter und auch Arbeitgeber. Allerdings ehrlich, fair und nicht manipulativ. Aber es wird keine Revolution auf dem Arbeitsmarkt verursachen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen