Sonntag, 5. Oktober 2014

Führen auf die alte Art?

Was ist das? Folgt man dem Leitartikel im Wirtschaftsteil der aktuellen Ausgabe der ZEIT (1.10.), dann ist damit offensichtlich die klassische hierarchie- und ergebnisorientierte Art der Führung gemeint. Was aber ist die Alternative? Weniger Hierarchie, mehr Netzwerk, mehr Partizipation und Demokratie, Nutzung der Schwarmintelligenz, Führungskräfte als Moderatoren und Coaches - es fallen die üblichen Schlagworte. Und es geht wieder einmal um eine Umfrage. In sogenannten Tiefeninterviews wurden 400 deutsche Manager im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums befragt. Das Bemerkenswerte: die Manager kritisieren die Art und Weise wie sie selbst führen. 78% sind der Meinung, dass es in Deutschland eine grundlegend andere Führungspraxis braucht. 51% der Kriterien, die den Führungskräften wichtig sind, sehen sie in ihrem Alltag nicht verwirklicht. Dem Leser bleibt allerdings verschlossen, welche Kriterien das denn sind. Offensichtlich sind sich die Befragten da selbst nicht so sicher.

Zunächst möchte man den Damen (sicher eher weniger) und Herren Führungskräften zurufen: Was tut ihr denn selbst dagegen, wenn ihr die Führung als schlecht empfindet? Wenn ihr Ergebnisdruck spürt, gebt ihr den dann 1:1 weiter? Wenn ihr schlecht geführt werdet, reklamiert ihr das dann nicht bei euren Chefs? Was bedeutet denn für euch Führung und wie stellt ihr sie euch idealerweise vor? Da führt kein Weg vorbei: Wenn sich an Führung etwas ändern soll, dann müssen das die Führungskräfte selbst übernehmen. Sie haben die Verantwortung dafür.
Doch wo soll die Reise hin gehen? Da kommen die üblichen verdächtigen Begriffe - siehe oben. Es soll alles irgendwie lockerer werden - so auch die Überschrift des Artikels. Aber was das konsequent weiter gedacht, für die Führungspxis bedeutet, davon hört man wenig. Was bedeutet weniger Hierarchie, mehr Moderator oder Coach? Mir fällt dabei ein für mich eindrucksvolles Erlebnis aus meiner eigenen Berufserfahrung ein. Wir haben mit viel Enthusiasmus bei allen Beteiligten in einem Produktionsbetrieb Gruppenarbeit eingeführt. Der ganze Bereich wurde in teilautonome Inseln aufgeteilt mit möglichst viel Entscheidungsspielraum in den Inseln. Von der Fertigungssteuerung bis zur Urlaubsplanung, alles sollte in der Insel sebst geregelt werden. Die mitarbeiterbezogenen Themen, z.B. Arbeitszeitfragen, sollten in den Gruppen selbst diskutiert und entschieden werden. Ganz abgesehen davon, dass die Inseln sehr schnell begannen sich sebst optimieren, anstatt den gesamten Prozeß zu beachten, merkten wir sehr schnell, dass in der Abstimmung innerhalb der Inseln Reibungsverluste gab. Was hatten wir falsch gemacht? Wir hatten uns nicht genug Gedanken um die Rolle der Führungskräfte gemacht Wer trifft in welchen Fällen die Entscheidung? Wer ist verantwortlich? Dem Inselleiter zu sagen, du bist jetzt schwerpunktmäßig Moderator und Coach - das waren in der Tat schon damals Schlüsselbegriffe - reicht nicht aus. Zur Führungsposition gehören Entscheidung und die Verantwortung für diese Entscheidung untrennbar dazu.
Wenn man also über Veränderung von Führung nachdenkt, muss man zuerst diese Grundvoraussetzung annehmen. Dann muss man ehrlich dazu stehen, dass am Ende auch ein Ergebnis erwirtschaftet worden sein muss. Es gehört aber auch der Mut dazu zu hinterfagen, ob dieses Ergebnis bedingungslos optimiert werden muss. Und es gehört die Einsicht dazu, dass es nicht ohne Hierarchie geht. Es kommt darauf an, wie diese Hierarchie gelebt wird. Bezogen auf die Basics gibt es keine alte oder neue Führung, sogar das Moderieren und das Coachen sollten schon länger zur Führungsrolle gehören.



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