Montag, 30. Juni 2014

Vertrauensarbeitszeit

Sie gehörte einmal zu dem Traumrepertoire mancher Personalleute - mich eingeschlossen. Gemeint ist der Verzicht auf jegliche Arbeitszeiterfassung und -kontrolle. Die Beschäftigten sollten eigenverantwortlich arbeiten. Es sollte auf die Erledigung der Aufgaben ankommen, nicht auf das Absitzen der Zeit. Außerdem war uns der hohe Aufwand, den der Betrieb von Zeiterfassungssystemen erforderte, ein Dorn im Auge. Doch so richtig durchsetzen konnten wir uns mit der Idee nicht. Im außertariflichen Bereich war es kein Problem. Bei den tariflichen Mitarbeitern sind wir über einen, dann auch gescheiterten Pilotversuch, nicht hinausgekommen. Wesentlich ist hier, dass man eine Überlastregelung braucht. Was passiert mit der Zeit, die über die normale tarifliche Arbeitszeit hinaus anfällt? Die Arbeitnehmervertretung war von Anfang an skeptisch. Wir würden die Vorgesetzten damit umgehen? Die meisten von ihnen waren dagegen. Sie befürchteten das Chaos. Nach ihrer Ansicht würden die Mitarbeiter dieses Freiheit nur missbrauchen und heimlich weniger arbeiten. In solchen Diskussionen sieht man sehr schnell, wie traditionell heute noch geführt wird. Die Mitarbeiter müssen kontrolliert werden. Sie sind nicht in der Lage eigenverantwortlich zu arbeiten.
Wir brauchen die Führungskrücke Arbeitszeiterfassung, weil die Führungskräfte nicht in der Lage sind, durch ihr Führungsverhalten die Leistungserbringung zu sichern. Jedenfalls gewinnt man diesen Eindruck, wenn man manche Chefs argumentieren hört. Inzwischen aber gibt es immer mehr Führungskräfte, die das komplett anders sehen. Besonders bei qualifizerten Tätigkeiten erwarten sie, dass die Mitarbeiter ihre Arbeit selbständig erledigen und nicht auf die Uhr schauen. Die modernen Technologien haben die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatspähre verschoben. Der befürchtete Kontrollverlust ist nicht eingetreten. Workflows sorgen für die zügige Abarbeitung der Prozessschritte und via Smartphone und Tablet ist jede Information zu jeder Zeit und an jedem Ort verfügbar und bearbeitbar. Ein immer dichter werdendes Netz von Key-Figures ermittelt und überwacht den Output und gibt dem Mitarbeiter sofort Rückmeldung, wenn er nicht im Soll liegt. Und die Beschäftigten folgen diesem Trend teilweise bereitwillig aber auch notgedrungen. Die Befürchtung, sie würden ohne Stechuhr weniger arbeiten, mutet aus heutiger Sicht an wie die Angst unserer Vorfahren vor der ersten Dampfeisenbahn. So ist der Begriff  "Vertrauens - Arbeitszeit" leise und heimlich ins Museum für Industriegeschichte gewandert. Vertrauen ist immer weniger nötig. Und an die Überlastregelung wird vielleicht wieder mal gedacht, wenn in der Zeitung etwas von zunehmenden Burn-Out-Fällen steht.

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