Montag, 12. November 2012

Mythos Kommunikation II

Wie weit läßt eine Organisation Kritik zu?

Der Arbeitsdirektor (Mitglied des Vorstandes) war auf einem Exklusivseminar für Top-Entscheider zum Thema "War for Talents". Dort ging es unter anderem auch um zunehmende Probleme bei der Rekrutierung von Azubis. Dieses Thema hatte es ihm wohl besonders angetan, vielleicht weil es selbst mal ganz früher eine Ausbildung absolviert hatte. Jedenfalls konfrontierte er seinen Personalchef bei der nächsten Rücksprache sofort mit seiner Idee und damit auch Vorgabe, ein Personalmarketingkonzept für die Gewinnung von Azubis zu entwickeln. Natürlich zählte dieser ihm sofort alle Massnahmen auf, die bereits auf diesem Feld durchgeführt werden. Aber der Arbeitsdirektor war so beseelt von seiner Idee, dass er nur ungeduldig zuhörte und den Personalmann beschied, dass jetzt mal alles "in einem schlüssigen Konzept rund zu machen". Er schloß das Gespräch mit der Ankündigung, dieses Konzept zu einem der Ziele für das nächste Jahr zu machen. Der Personalleiter gab dieses Ziel an seinen Ausbildungsleiter weiter. Der listete natürlich auch sofort, begleitet von einem vernehmenlichen Stöhnen, seine Aktivitäten auf und wies darauf hin, dass man bisher noch alle Ausbildungsstellen besetzen konnte, eben weil man eine gute Position auf dem Markt habe. Mit der Bemerkung "Dann können sie das Ziel ja leicht erfüllen" beendete der Personalleiter die etwas hartnäckige Diskussion.
Ergebnis: Etwas, was bereits gemacht wird, was zum "Kerngeschäft" eines Ausbildungsleiters gehört, wird nochmal mit einer Prämie extra belohnt. Was hat das Unternehmen davon? Nichts.
Es ist bekannt, dass Vorstände in einer weithin abgeschotteten Welt leben und mit gefilterten - geschönten - Informationen versorgt werden. Auf dem Weg durch die Hierarchie haben sie gelernt, dass es angenehmer ist, von den Mitarbeitern Erfolgsmeldungen zu bekommen und dass es besser ist, Informationen nach oben so weiterzugeben, dass man selbt möglichst gut dabei weg kommt.
Unser Arbeitsdirektor hätte also zumindest zuhören und erst nachfragen sollen. Was machen wir auf diesem Gebiet? Und er hätte akzeptieren müssen, dass bereits vieles gemacht wird. Unser Personalchef hätte den Mut aufbringen müssen zu widersprechen. Er hätte klar machen müssen, dass es aktuell noch keine Probleme gibt und dass man darauf vorbereitet ist. Das Beispiel zeigt, dass zwischen Vorgesetzten und direkt zugeordneten Mitarbeitern ein offenes Klima herrschen muß in dem die kritische Diskussion, das unvoreingenommene Erwägen des Für und Wider möglich sein muß. Aber wie weit nach unten muß diese Möglichkeit der Diskussion gehen? Eine Entscheidung der Unternehmensleitung kann nicht auf jeder nachfolgenden Ebene wieder in Frage gestellt werden. Sie muß vermittelt und erklärt werden aber sie kann nicht basisdemokratisch abgestimmt werden. Der Vorstand muß bei seinen Entscheidungen die Informationen, Meinungen und Beiträge der relevanten nachgeordneten Mitarbeiter einbeziehen, kritisches Abwägen zulassen und dann entscheiden. Die, die an dieser Entscheidung beteiligt waren, müssen sie dann auch nach außen mittragen und dafür sorgen, dass sie umgesetzt wird.
Aus der Perspektive der Mitarbeiter sieht das natürlich anders aus. Sie wollen "mitreden". Gerade bei Veränderungsprojekten wird das überdeutlich. Aber gerade dort ist es am wenigsten möglich, da die Tendenz am Hergebrachten festzuhalten sehr ausgeprägt ist. Es ist in bestimmten Situationen notwendig, dass Entscheidungen "durchgesetzt" werden müssen. Die Mitarbeiter müssen allerdings das Vertrauen haben, dass die Entscheidungen von den "Entscheidungsträgern" nach bestem Wissen und Gewissen getroffen wurden und dass sie die für ihre Arbeit notwendigen Informationen und Erklärungen rechtzeitig dazu bekommen.
Sie müssen darauf vertrauen können, dass ihre Führungskräfte ihre Beiträge und Meinungen miteinbringen.
Kommunikation kann also in einer Unternehmensorganisation - und auch in anderen Organisationen - nicht im Sinne einer gleichberechtigten "Mitentscheidungsdiskussion" mißverstanden werden.








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