Mittwoch, 11. Oktober 2017

92 % der Vorstände haben keine Erfahrung mit Digitalisierung

Was heißt das eigentlich?

Das zitiert DIE ZEIT (Ausg. 40, 28.9.) aus einer Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Gemeint ist damit, dass diese Vorstände "keine Führungspositionen in Digitalunternehmen oder in deren Aufsichtsräten bekleidet haben....oder im Bereich der Forschung und Entwicklung (keine) nennenswerten Erfahrungen mit der digitalen Welt sammeln konnten". So definiert besitzen 92% der Vorstände keine Digitalerfahrung, "die sich im Lebenslauf niederschlägt".
Aber muss man als Vorstand eines Unternehmens - egal aus welcher Branche und für welches Ressort man verantwortlich ist - tatsächlich eine derart intensive Erfahrung mit der "digitalen Welt" haben? Hat man nur Ahnung von Digitalisierung, wenn man in einem "Digitalunternehmen" oder in der einschlägigen Forschung und Entwicklung gearbeitet hat?
Worauf kommt es denn bei einem Vorstand an? Er muss eine Entwicklung erkennen und einschätzen können, welche Relevanz sie für sein Unternehmen hat. Es wird allerdings immer Entwicklungen geben, für die er keine Erfahrungen besitzt. Dann muss er sich soweit schlau machen, wie es dem Abstraktionsniveau eines Vorstandsjobs entspricht. Wenn er erkennt, dass diese Entwicklung nicht nur marginale Auswirkungen auf sein Unternehmen hat und außerdem viel Komplexität beinhaltet, dann muss er schleunigst dafür sorgen, dass er Fachleute an Bord holt, die sich damit auseinandersetzen können. Das gilt besonders, wenn sein Ressort in dieser Entwicklung eine besondere Verantwortung hat, z.B. hier IT. Dann muss er auch seine Kollegen briefen und sie für die möglichen Konsequenzen sensibilisieren. Das kann aber doch nicht bedeuten, dass der Vertriebsvorstand eines Lebensmittelherstellers aus einem Digitalunternehmen kommen muss. Der muss aber wohl in der Lage sein, ob und welche Konsequenzen eine Entwicklung, ein Trend, für sein Ressort hat.
Die kritische Diskussion dieser Untersuchungsergebnisse in dem ZEIT-Artikel zeigt, dass auch Journalisten und Fachleute an den Hochschulen sich schwer damit tun, einigermaßen präsise zu beantworten, was es denn bedeute "Ahnung von Digitalisierung" zu haben. Muss man dafür programmieren können? Wie tief muss man sich in welcher Software auskennen? Kann man die Messlatte so hoch hängen wie es die Autoren der zitierten Studie für Vorstandsmitglieder tun? Auch in der bildungspolitischen Diskussion über die "Vorbereitung" der Schüler auf diese Technologie ist diese Unsicherheit zu spüren. In der medialen Diskussion darüber werden die Anforderungen an die Schulen ebenfalls sehr hoch gehängt. In den Schulen wird dieser Stoff dagegen noch sehr verhalten behandelt.
Gerade bei einer derart komplexen Entwicklung wie der Digitalisierung hängt es ja auch von der individuellen Lebens- und Arbeitssituation ab, welche Ahnung man davon haben sollte und auch haben muss. In jedem Fall ist es notwendig ihr unvoreingenommen gegenüber zu treten. Diese Unvoreingenommenheit kann ja durchaus krititsch sein. Was aber nicht tauglich ist, gleich in eine Abwehrhaltung zu verfallen oder auch in Euphorie, ohne sich auch nur ansatzweise damit auseinandergesetzt zu haben.

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