Montag, 14. November 2016

SAP Mitarbeiter können Arbeitszeit und Ort weitgehend selbst bestimmen

Es geht doch, möchte man meinen, zumindest wenn man den Veröffentlichungen in der Presse glauben darf. Die deutschen SAP-Mitarbeiter können künftig selbst darüber entscheiden, wo und wie lange sie arbeiten wollen. Das Prozedere klären die Mitarbeiter mit ihren Chefs ab. Arbeitszeiten und -orte sollen im Einklang mit den betrieblichen Erfordernissen stehen. Auch längere Auszeiten sind möglich für die, die sich um Kinder oder pflegebedürftige Eltern kümmern müssen. Leider gehen die Details der Betriebsvereinbarung nicht aus den Veröffentlichungen hervor. Wenn es tatsächlich so unkompliziert geht, wie es sich anhört, kann das ein guter Schritt sein.

Wer seinen Mitarbeitern Freiheiten gibt, über ihre eigene Arbeitsgestaltung und -organisation zu entscheiden, der zeigt, dass er ihnen vertraut. Er verzichtet auf überkommene Kontrollinstrumente und sieht das Ergebnis der Arbeit als das eigentlich Wesentliche an. Damit sind derartige Modelle gleichzeitig auch ein deutlicher Hnweis an all die rückwärtsgewandten Führungskräfte, die immer noch nach dem alten Spruch "Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser" handeln.
Bei aller positiven Wertung einer derartigen Vereinbarung wie bei SAP muss man auch ein "Aber" anbringen. Auch SAP ist auf die Leistung seiner Mitarbeiter angewiesen. Auch wenn ich meine Arbeitszeit sehr flexibel gestalten kann, mein Pensum muss ich erledigen. Und wenn dieses Aufgabenbündel sehr umfangreich ist oder die "Liefertermine" sehr eng, dann bringt es kaum Mehrwert im Hinblick auf die Lebensqualität, wenn ich Zeit und Ort wählen kann, um es abzuarbeiten. Im Gegenteil, wenn sich dadurch Privat- und Arbeitssphäre so vermischen, dann gibt es am Ende keinen "pflichtfreien" Raum mehr, um tatsächlich zu "ent-spannen".
Nicht nur das sollten Nachahmer dieser Regelung bedenken. Grundsätzlich gilt, dass man Arbeitszeitregelungen nie 1 : 1 von einem Unternehmen auf ein anderes übertragen kann. Ein Softwareunternehmen hat eine andere "Produktionsstruktur" wie ein Maschinenbauer. Bei dem gibt es allein durch die Anbindung an eine Produktion viele Arbeitsplätze auf denen man Zeit und Ort gar nicht oder nur bedingt wählen kann. Trotzdem kann sich auch der Maschinenbauer von dem Softwareunternehmen inspirieren lassen und prüfen, welche Flexibilität er seinen Mitarbeitern anbieten kann. Der Satz "Das ist eine völlig andere Branche" ist eine Phantasiebremse.
Das Beispiel des Maschinenbauers sollte uns aber mahnen die SAP-Vereinbarung nicht gleich wieder als Beleg für einen Trend anzusehen. Den Trend zur Flexibilisierung von Arbeitszeit gibt es schon seit Jahrzehnten, auch wenn er manchmal etwas zäh läuft.

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