Freitag, 28. Oktober 2016

Überlastung und Vertrauensverlust

Wird die neue Arbeitswelt wirklich schön?

In der medialen Berichterstattung über die Arbeitswelt fallen zwei gegensätzliche Positionen auf. Gerade in der letzten Zeit häufen sich nach meinem Eindruck Berichte über die negativen Auswirkungen der aktuellen Arbeitsituation. Die Krankenkassen dokumentieren in ihren Gesundheitsberichten wider einmal eine Zunahme der psychischen Erkrankungen. Das Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin veröffentlicht eine Studie nach der 51% der befragten Beschäftigten (immerhin 20.000) über Termin- und Leistungsdruck klagen und 13% sich sogar von der Arbeitsmenge überfordert fühlen.
Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young schließlich legt ebenfalls eine Untersuchung mit weltweit 10.000 Befragten vor, die zeigt, dass in Deutschland lediglich 44% der Mitarbeiter ihrem Unternehmen und 47% dem Vorgesetzten vertrauen. Nun mag man Statistiken gegenüber misstrauisch sein, aber die große Zahl von Befragungen und Studien verschiedenster Institutionen, die kritische Befunde zur aktuellen Arbeitssituation liefern, lassen sich nicht einfach wegdiskutieren und bestätigen einen Trend.
Demgegenüber wird immer noch unverdrossen von der schönen neuen Arbeitswelt geschrieben und geredet, die bessere Verhältnisse für die Beschäftigten mit sich bringen soll. Zumindest für die qualfizierten Wissensarbeiter, die selbstbestimmt nur noch in den Projekten arbeiten, die ihnen Befriedigung und Erfüllung bieten. Ihre Bedingungen können sie "auf Augenhöhe" mit ihren Arbeitgebern verhandeln und wenn es ihnen nicht mehr gefällt, springen sie zum nächsten Projekt. Arbeitsort und -zeit spielen keine Rolle mehr, ebenso wie die Trennung zwischen Privat- und Arbeitssphäre.
Sinnigerweise muss ein Begriff für beide Entwicklungen herhalten: Digitalisierung. Sie ist gleichzeitig und maßgeblich für das aktuelle Ungemach verantwortlich wie für die rosigen Prognosen über die Zukunft. Allein das sollte den Trendgurus schon zu denken geben. Zwei Phänomene, die in Wirklichkeit mit ursächlich für die aktuell kritische Situation sind und die auch von keiner technologischen Entwicklung ausgebügelt werden können, geraten dabei aus dem Blickfeld: einmal die knappe Personalbesmessung, die in vielen Unternehmen heute normal ist und dann zweitens noch auf ein nachlässiges bis unzureichendes Führungsverhalten trifft.
Und wenn der DGB nach "einem neuen Ordnungsrahmen, der selbstbestimmte Arbeitszeiten fördert und größere Flexibilitätsspielräume....eröffnet" (zit. nach Mannheimer Morgen) ruft, wird das wenig Wirkung zeigen, so lange die Grundprobleme nicht beseitigt werden. Die Digitalisierung wird noch mehr Rationalisierungspotenziale bieten und damit zu Personaleinsparungen motivieren. Gleichzeitig wird sie durch die wahrhaft grenzenlosen Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation und durch Workflows Führung entpersonalisieren. Das bedeutet, beide oben beklagte Defizite werden durch sie nicht verschwinden. Man darf Digitalisierung keinesfalls verteufeln, aber sie bietet auch keinen Grund, die zukünftige Arbeitswelt rosig zu malen.

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