Freitag, 9. Oktober 2015

Teambuilding

Azubis werden gleich zu Beginn ihrer Ausbildung in einen Hochseilgarten geschickt, "um sich gemeinsam zu testen, zu beweisen und als Gruppe kennenzulernen", wie es in dem Bericht eines Zeitungsverlages über diese Aktion heißt. Die IT-Abteilung eines Maschinenbauers geht einmal jährlich auf einen derartigen Kletterparcours, um den Teamgeist  und damit die Zusammenarbeit zu fördern. Zum Teambuilding in Hochseilgärten zu gehen ist in.
Hier wirkt immer noch der Mythos des oft missverstandenen und nicht hinterfragten Team-Begriffs. Was wollen die Initiatoren dieser Aktivitäten unter Team verstehen? Geht es ihnen wirklich um den Zusammenhalt unter den Beschäftigten, oder wollen sie eigentlich die Leistung der Gruppe steigern? Warum meint man, das gehe am besten als Team? Glaubt im Ernst jemand aus einem Azubijahrgang würde jemals ein Team?  Warum muss aus der IT-Abteilung unbedingt ein Team werden? Gewiß müssen sie eine ordentliche Leistung abliefern und dazu müssen sie ordentlich zusammenarbeiten. Das muss aber nicht zum Team hochstilisiert und mit unnötigen und manchmal auch unrealistischen Erwartungen überfrachtet werden.
Die beste Förderung der Zusammenarbeit und auch der Leistungserbringung ist immer noch wertschätzende Führung im betrieblichen Alltag. Dass es nützlich sein kann, sich ab und an einmal aus diesem Alltag kollektiv als Abteilung oder Arbeitgruppe zurückzuziehen und zu reflektieren, ist unbestritten. Aber dazu muss man nicht in einen Hochseilgarten.
Zunächst gibt es bei vielen Beschäftigten, insbesondere wenn sie weniger sportlich oder vielleicht schon etwas reiferen Alters sind, Vorbehalte und auch Ängste gegenüber diesen Aktivitäten. Tendenziell eignet sich der Besuch im Hochseilgarten damit eher für jüngere Belegschaften. Wenn er als Teambuilding-Maßnahme durchgeführt wird, wird er ja in der Regel auch "verordnet". Es entsteht also schon ein gewisser Druck, mitzumachen und sich keine Blöße zu geben. Das bedeutet, dass die eher ängstlichen Mitarbeiter nicht mit der notwendigen Offenheit teilnehmen. Eine gute Basis für Teambuilding ist das nicht. Nun soll ja gerade der Ängstliche lernen, sich zu überwinden und dann das Erfolgserlebnis zu geniessen, es geschafft zu haben. Nur kann er das in seinen betrieblichen Alltag übertragen? Reicht dazu das einmalige Erlebnis im Hochseilgarten aus? Sind damit die Ursachen für seine Zurückhaltung im betrieblichen Alltag schon beseitigt? Hat sich damit auch schon der möglicherweise dominante Chef geändert, der ja vielleicht einer der Gründe für die Zurückhaltung ist? Im Hochseilgarten sollen die Teilnehmer spüren, dass sie einen schwierigen Parcours nur gemeinsam bewältigen, wenn einer dem anderen hilft. Ist damit schon gesagt, dass der Sportliche, der seinem unbeholfenen Kollegen in dieser Situation hilft, das auch tut, wenn es im Alltag um Pluspunkte beim Chef geht? Ist der Mut im Hochseilgarten derselbe, wie der, den man braucht, um im Job seine eigene Meinung zu vertreten?
Ich halte das Transferpotenzial der Erlebnisse aus Hochseilgärten und ähnlichen Events in den betrieblichen Alltag für gering. Wenn man die Mittel in eine gut begleitete Reflexion des Führungsverhaltens der Vorgesetzten steckt, sind sie wahrscheinlich besser investiert.

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