Mittwoch, 8. Juli 2015

Angewandtes Personalmarketing

Notizen aus dem Bewerberalltag

Es ist Freitagmittag. Die Bewerbung ist online auf den Weg gebracht. Noch am selben Tag meldet sich abends um 19 Uhr telefonisch eine Dame von dem Unternehmen, an das die Bewerbung ging. Sie habe die Unterlage gerade oben in ihrer Mail-In-Box gesehen. Der überraschte Bewerber sieht sich sofort kritischen Fragen nach seinem Lebenslauf ausgesetzt, die ihm allerdings das Gefühl geben, dass die Dame sich in Tat bisher nur eher oberflächlich mit seinen Unterlagen beschäftigt hatte.

Was sollen solche Mätzchen? Die anrufende Kollegin wird mir sofort entgegenhalten, dass derartige Aktionen zu ihrer Auswahlmethode gehören. "Wer bei uns arbeiten will, muss mit so etwas umgehen können." Mit was muss man in einem derartigen Unternehmen sonst noch umgehen können? Zum Beispiel, dass man an einem heißen Freitagabend um 19 Uhr noch beruflich aktiv sein muss. Sehr wahrscheinlich wird man dort auch im Urlaub angerufen, um bis zum nächsten Vormittag eine Präsentation fertig zu stellen - egal wo man sich aufhält.
Der nach Wertschätzung strebende Angehörige der Generation Y allerdings wird sich fragen: "Will ich in einem solchen Laden arbeiten?"
Online-Bewerbungsportal einer international tätigen Unternehmensberatung. Unter anderem wird dort nach den Abiturnoten in Englisch und Mathematik gefragt. Auch wenn es sich um eine Einstiegsposition handelt, welche Erkenntnisse zieht man dort aus diesen Informationen? Was sagt die Englischnote aus dem Abitur über die tatsächlichen Sprachkenntnisse einige Jahre später aus? Vielleicht haben sie einen Algorithmus, der aus diesen Angaben einen Potenzial-KPI errechnet. Nur wer einen gewissen Wert erreicht, wird erst zum Gespräch eingeladen.
Personalauswahl ist gewiß ein schwieriges Geschäft und wie man sieht, Personalmarketing ebenfalls. Beides erfolgreich miteinander zu verknüpfen, gelingt leider immer noch sehr wenig. Das hängt auch mit einer unseeligen Grundhaltung zusammen, mit der viele Personaler an die Personalauswahl rangehen. Sie lassen sich nicht von dem Gedanken tragen, einen geeigneten Bewerber für das Unternehmen zu gewinnen. Für sie ist das Bewerbungsverfahren eine Prüfungssituation in der man die Schwächen der Bewerber rausfinden muss. Auch bei einem nicht geeigneten Bewerber sollte man als Unternehmen einen guten Eindruck hinterlassen. Einen großen Pluspunkt gewinnt man als potentieller Arbeitgeber schon damit, Bewerbungen zügig abzuwickeln - auch damit kann man Wertschätzung zeigen.

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