Mittwoch, 25. März 2015

Yes, you can!

"Stellen Sie sich nicht so an, Das schaffen Sie. Mit Ihrer ISC (Individual Score Card) haben Sie Ihren Output jederzeit komplett im Blick. Alle Kooperations- und Aktivitätsdaten, wie der aus Mails, Meetings und sonstige Terminen ermittelte Communication-Index sowie alle für Ihren Job nötigen Key-Figures werden tagesaktuell zurückgemeldet. Bei Bedarf korreliert Ihnen das System Ihre persönlichen Fitnesswerte mit Ihren Produktivitätskennzahlen und Sie sehen genau, wann Sie Ihr Tagesoptimum erreichen können. Damit haben Sie die ideale Grundlage sich immer mehr zu steigern und Ihre Leistung zu verbessern. Wo Sie arbeiten, ist völlig egal. Auch im Home-Office können Sie stets Ihre Werte und Ihren Leistungsstand auf Ihrem Dash-Board verfolgen. Und natürlich auch den Ihrer Mitarbeiter. Sie arbeiten vollkommen frei und steuern sich selbst."

Sie winken milde lächelnd ab? "Gibt's doch gar nicht." Doch, das Start-up Volometrix in Seattle zieht aus mails, Kalendern, Aktivitäten in sozialen Netzwerken usw. Daten und analysiert diese. (zit. nach Harvard Business manager 9.3.) Wieviele Menschen erfassen schon heute alle möglichen Fitnesswerte, um ihre körperliche Leistungsfähigkeit kontinuierlich zu steigern? Wieviele Kennzahlen werden heute schon in Unternehmen erhoben, um Leistung zu erfassen? Man sehe sich nur einmal die ausgeklügelten Kontrollsysteme in Call-Centern an. Das oben beschriebene Szenario ist keine Utopie mehr, vielleicht noch Zukunftsmusik, aber die dröhnt schon sehr nah und laut in unsere Ohren.
Soll ich auch einmal einen Trend ausrufen? Den Trend der Selbstoptimierung und Selbstführung? Sehr wahrscheinlich aber komme ich zu spät. Die Bewegung ist bereits in vollem Gang. Dank der technologischen Entwicklung sind wir in der Lage Unmengen von Daten zu erfassen und zu verarbeiten. Das legt die Versuchung nahe alles messen zu wollen und in Zahlen darzustellen. Und wenn man gemessen und eine Zahl ermittelt hat, will man die auch verbessern. Wenn man diese Zahlen dann in einen Vergleich mit anderen bringt, kann man leicht Wettbewerb erzeugen. "Werden Sie besser, schneller, leistungsfähiger als Ihre Kollegen." Darauf beruht der Glaube an die Selbststeuerung. Ich brauche noch nicht einmal Zielwerte vorzugeben. Die Menschen entwickeln den Ehrgeiz sich selbst zu optimieren, um besser zu sein wie ihre Mitmenschen. Wenn das dann in den Dienst der Produktivitätssteigerung eines Unternehmens gestellt wird, um letztendlich dessen Profit zu erhöhen, entpuppt sich die Selbstführung und Selbststeuerung schnell als Ideologie.
Abgesehen davon wird es auf Dauer auch nicht funktionieren. Ein Blick in den - fast hätte ich geschrieben -
guten, alten Akkord kann hier helfen. Warum ist er weitgehend von der Bildfläche verschwunden? Der Akkord ging wenigstens noch von einer Normalleistung aus. Daran waren die Leistungsvorgaben ausgerichtet. Wenn sie übertroffen wurden, konnte auch mehr verdient werden. Doch was haben die routinierten Werker gemacht? Sie haben sich auf dem für sie günstigen Leistungsniveau eingerichtet. Sie haben ihre individuelle Leistung gedeckelt. Überschüssige Minuten wurden nicht "abgegeben" und für schlechtere Monate gebunkert. Das ließe sich mit den heutigen technischen Möglichkeiten sicher anders machen. Die Erkenntnis bleibt jedoch: Menschen lassen sich nicht grenzenlos optimieren und viele wollen es auch nicht. Auf einem bestimmten Niveau ist Schluss - auch wenn das manchmal unfreiwillig geschieht.

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