Dienstag, 9. September 2014

Arbeitswelt-en

Es gibt bei uns in Deutschland nicht nur eine Arbeitswelt. Das ist mir wieder einmal bewußt geworden an zwei Beispielen aus den letzten Tagen. Da streiken die Lufthansa-Piloten um eine gut gepolsterte Übergangsregelung in den Ruhestand zu erhalten. Gewiß ist der Pilotenberuf eine anspruchsvolle und verantwortungsvolle Tätigkeit. In einem Interview mit einem Flugkapitän schilderte dieser, wie sich die Anforderungen in den letzten Jahren verändert hätten. Von welcher Tätigkeit könnte man das nicht sagen? Die Piloten unterligen aber immer noch - trotz einiger Abstriche in den letzten Jahren - einem komfortablen Tarifvertrag. Zweites Beispiel aus diesem Teil der Arbeitswelt: die IG Metall beschäftigt sich wieder mit der Arbeitszeit. Mehr Flexibilität soll erreicht werden. Die Beschäftigten sollen in der Lage sein, ihre Arbeitszeiten mehr ihren persönlichen Bedürfnissen anzupassen. Vertrauensarbeitszeit ist das neue Schlagwort.

Das ist die Arbeitswelt, die durch ordentliche Tarifverträge geregelt ist. Verträge, die den Beschäftigten verläßliche Arbeitsbedigungen und Entgelte sichern. In der für die Durchsetzung von Forderungen gestreikt werden kann, es aber auch institutionalisierte und bewährte Formen der Konfliktregelung gibt.
Dem gegenüber steht eine andere Welt - man könnte manchmal auch von Unterwelt sprechen. Da gibt es prekäre Arbeitsverhältnisse, die dadurch gekennzeichnet sind, dass versucht wird selbst Mindeststandards noch zu unterlaufen, beispielsweise durch sogenannte "freie Mitarbeiterverhältnisse". Eine Entwicklung, die sogar einen gesetzlichen Mindestlohn hervorbrachte. Aber auch oberhalb dieser Grenze gibt es eine große Zahl von Arbeitsverhältnissen, in denen gerade mal die gesetzlichen Bedingungen eingehalten werden. Von zusätzlichen "Sozialleistungen", wie sie in Tarifverträgen enthalten sind, können diese Beschäftigten nur träumen. Eine in den letzten Jahren gestiegene Zahl von Betrieben unterliegt keinen Tarifverträgen mehr. Wo versucht wird den Tarifvertrag durch faire betriebliche Vereinbarungen zu ersetzen, ist das akzeptabel. Die Tarifvertragsparteien müssen sich durchaus der Kritik aussetzen, in vielen Verträgen zuviele Details geregelt zu haben und das oft noch mit komplizierten Prozeduren. Wenn sich Unternehmen dem entziehen, um ihre spezifischen Anforderungen besser zu berücksichtigen, dann sollte das aber nicht zu einer Absenkung des Niveaus der Arbeitsbedingungen führen.
Ich setze mich hier ja immer wieder kritisch mit Regelungen auseinander. Aber die sogannte "freie Marktwirtschaft" ist eine Illusion. Auf dem Arbeitsmarkt treffen nur in seltenen Fällen gleichberechtigte Partner aufeinander. Es gibt immer wieder Marktteilnehmer, die ihre Stärke beziehungsweise die Schwäche der anderen Beteiligten ausnutzen. Aus diesem Grund ist ein gewisses Mass an Regulierung notwendig. Mir wäre sogar eine gesetzliche Verpflichtung Tarifverträge abzuschließen lieber wie ein Mindestlohn. Allerdings müssten die Tarifvertragsparteien Augenmaß und Pragmatismus walten lassen.

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