Montag, 8. Juli 2013

Wege aus der Überlastungsfalle II

Nicht zuviel Identifikation

"Wir erwarten, dass sich jeder hundertprozentig mit seiner Aufgabe/mit dem Projekt/mit dem Unternehmen identifiziert." Dieser und ähnliche Sätze gehören zum Gemeingut deutscher Management-Motivationssprüche. Identifikation wird als wesentliche Voraussetzung angesehen, einen Job erfolgreich zu bewältigen und ein Unternehmen "nach vorne zu bringen". Insbesondere von Führungskräften wird ein noch höheres Mass von Identifikation verlangt, da sie ja den Mitarbeitern Ziele vermitteln und diese vorbildhaft vertreten sollen. Das ist auch richtig so und notwendig. Ohne ein Mindestmass an Identifikation ist keine Aufgabe zu bewältigen. Wer sich gegen das, was er tun soll, sträubt, wird es nicht so gut und erfolgreich erledigen. Führungskräfte kommen ja manchmal in eine Situation, in der sie etwas vertreten und durchsetzen müssen, das sie selbst möglicherweise anders machen würden, wenn sie es entscheiden könnten. Gerade dann ist eine Grundidentifikation mit Aufgabe und auch Unternehmen notwendig.

Was soll dann die Aufforderung "Nicht zuviel Identifikation"? Die Identifikation mit der täglichen Arbeit, mit der man sein Geld verdient, ist wichtig und notwendig. Aber ist es das Einzige im Leben, mit dem man sich identifiziert? Welche Identifikationen gibt es sonst noch in Ihrem Leben? Gerade von Topmanagern kommt dann häufig "Ohne meine Familie könnte ich das nicht bewältigen." Für die wird dann großzügig das Wochenende frei gehalten - wenn keine Auslandsreise dazwischenkommt. Die Arbeit nimmt in der Regel schon den größten Teil der Tageszeit in Anspruch. Muss es dann auch das sein, was die meiste Identifikation beansprucht? Es ist eine gute und notwendige Übung das, was einem wichtig ist, zu ordnen und in eine Rangreihe zu bringen. Der junge Einsteiger, der nach der Ausbildung noch als Single ins Berufsleben startet, kann hier leichten Herzens antworten, dass er sich zunächst voll auf die Arbeit konzentriert und sich mit seiner Karriere identifiziert. Aber macht er sich auch Gedanken über Alternativen? Soll das in späteren Lebensphasen auch noch so sein? Die Angehörigen der in den Medien viel beschriebenen Generation Y tun sich da offensichtlich leichter. Sie wollen sich zwar in der Arbeit engagieren aber trotzdem auch ihr Leben genießen und, falls vorhanden, für die Familie da sein. Man darf gespannt sein, ob ihnen das gelingt.
Jedenfalls ist die Aufforderung nicht alle Identifikation in den Job zu investieren kein Appell zur Subversion sondern ein erster Schritt der Überlastungsfallezu entgehen. Wenn man die kritische Distanz zu seiner Arbeit aufbringt, merkt man auch schneller, wann es zuviel wird. Dabei helfen kann die Einsicht, die ich im letzten Post versucht habe zu vermitteln, dass niemand in einer Organisation unersetzlich ist. Helfen kann auch, wenn man die Frage einmal umdreht: Identifiziert sich das Unternehmen mit mir? Wie weit identifiziert sich der Chef mit den persönlichen Zielen und Bedürfnissen seiner Mitarbeiter? Identifikation kann auch nicht nur Einbahnstraße sein.

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