Mittwoch, 24. April 2013

Das Change Management Paradox

Wer Veränderungen in Organisationen umsetzen will oder muss, muss sich bewußt sein, dass er sehr wahrscheinlich in eine paradoxe Situation gerät. Er arbeitet in einem Spannungsfeld aus widersprüchlichen Verhaltensweisen. Von daher gehe ich zurückhaltend mit dem Begriff Change Management um. Er suggeriert, dass man Veränderungen "managen" kann. Gewiss gibt es erfolgreich bewältigte - wie immer man das misst - Veränderungsprojekte. Es ist allerdings auch belegt, dass viele Projekte scheitern oder nicht so laufen, wie sich das die Initiatoren gedacht haben. Die professionellen Change Begleiter verweisen dann immer wieder auf das Standard Repertoire an Regeln, die man beherzigen müsse. Meist fällt es ihnen sehr leicht sofort die Fehler zu entdecken, die nach ihrer Meinung für den mangelnden oder gar ausgebliebenen Erfolg verantwortlich sind. Fast blind können sie als Grundfehler mangelnde Kommunikation identifizieren.
(s. auch Post Mythos Kommunikation)
Damit kommen wir zum Change Management Paradox. Als Grundannahme wird immer davon ausgegangen, dass die Betroffenen die Veränderung ablehnen und sogar Widerstand leisten. Eine Annahme, die in vielen Fällen stimmt aber nicht in allen. Es gibt durchaus auch Veränderungen, die von den Betroffenen gewünscht oder sogar herbeigesehnt werden. Aufgrund dieser zunächst meist kritischen Haltung gegenüber der Veränderung wird intensive Kommunikation eingefordert. Man müsse die Betroffenen dort abholen "wo sie sind", ihnen das Vorhaben erklären, ihre Meinung einholen. Schließlich seien sie diejenigen, die nachher damit leben müssten. Das ist auch alles richtig und soweit möglich, muss man das auch tun. Nur, das Entscheidende ist dieses "soweit möglich". Was ist mit einer Innovation, technisch oder produktpolitisch, die schnell und möglicherweise sogar überraschend eingeführt werden soll? Was ist mit organisorischen Massnahmen, die in einer Krisensituation umgesetzt werden müssen? Wie sieht es mit Personalentscheidungen aus? Das ist die heikelste Frage. Wie früh kann ich die Betroffenen informieren ohne sie in unbegründete Sorgen zu stürzen?
Informations- und Diskussionsprozesse kosten Zeit. Die kann ich bei der Planung berücksichtigen aber ich muss auch den Punkt kennen, an dem entschieden werden muss. Auch wenn dann noch nicht alle Betroffenen "ins Boot geholt sind". Ich muss das Geplante erklären, vermitteln aber ich muss wissen, dass ich auch eine Entscheidung treffen muss, selbst wenn es noch nicht alle verstanden haben.
Diese Situationen lassen sich in Veränderungsprojekten nicht vermeiden und auch mit den Instrumenten des  Change Management oft nur mildern. Dessen muss man sich bewußt sein und das auch ehrlich den Betroffenen vorher erklären anstatt den Eindruck zu vermitteln, ihr werdet einbezogen und über alles frühzeitig informiert. Die Betroffenen müssen wissen, dass das nicht immer so gelingen wird.
Ich spreche damit nicht gegen professionelles Change Management. Das ist gerade bei komplexen Projekten sinnvoll und notwendig. Ordentliches Projektmanagement, strukturierte und moderierte Besprechungen, neutrale Moderatoren bei Konfliktfällen - das sollte man in jedem Fall nutzen.

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